Pfeile

Vorbemerkung:

Auch wenn wir uns stets bemühen, ob im Handwerklichen oder in der Darstellung des Bogenschützens, der geschichtlichen Realität zu genügen, ist dies nicht immer ganz einfach. Es gibt nur wenige Quellen und Abbildungen, die aber zum einen nicht immer dem von uns dargestellten Zeitraum entsprechen oder halt ein „idealisiertes Bild“ darstellen. Kaum jemand wird damals einen „einfachen“ Bogenschützen in bildlicher Form festgehalten haben. Darstellungen beziehen sich oftmals auf Könige oder Adlige bzw. auf Bogenschützen die einer Armee angehört haben.

Ich will hier nicht auf die historische Entwicklung des Bogens und der Bogenschützen eingehen. Das haben an andere Stelle und unter Berücksichtigung von historisch belegten Fakten andere Personen besser gemacht. An dieser Stelle wird eher auf die handwerklichen Belange eingegangen.

Zunächst möchte ich jedoch auch erläutern, weswegen ich mich überhaupt mit dem Pfeil- und Bogenbau beschäftige. Mit Beginn dieses Hobbys wird man sich zwangsläufig die Frage stellen, was möchte ich darstellen und vor allem was möchte ich machen. Häufig sieht man in verschiedenen Lagern auf Mittelaltermärkten, dass die jeweiligen Insassen, den ganzen Tag mehr oder weniger gelangweilt rumsitzen oder sich (falls männlich) mit irgendwelchen Schwertern verhauen. Somit war für mich nach unserem ersten Markt, auf dem wir auch nur rumgesessen haben, die Idee geboren einem nützlichen Handwerk nachzugehen und habe gemeinsam mit Okko einen Pfeil- und Bogenbaukurs (AGIL) besucht. Dieser Kurs ist zwar nicht der Weisheit letzter Schluss, aber immerhin ein guter Einstieg. Durch Probieren, Diskutieren und „abschauen bei anderen“ kann man so seine eigenen Fähigkeiten auf ein brauchbares Maß verbessern.

Ich habe mich eher auf die Fertigung von Pfeilen spezialisiert. In der Regel baue ich Pfeile, die für den Schuss auf Strohscheiben nutzbar sind. Das heißt, diese Pfeile haben Feldspitzen, die lediglich ein wenig mittelalterlich angehaucht sind – bodkinlike.

125 grains für Holzschaft 11/32

Als Schäfte nutze ich vorgefertigte Schäfte aus Kiefer, Esche oder Fichte von 11/32“. Wer schon einmal versucht hat brauchbare Schäfte selber herzustellen, weiß wie viel Arbeit dies macht und vor allem, wie schnell sie sich je nach Wetterlage wieder verändern können. Da ich die Pfeile im Regelfall für meinen eigenen Gebrauch anfertige liegt der Spine-Wert bei ca. 40 – 50lbs.

Als Nocke verwende ich die schlichte Selfnock. Das bedeutet, dass ich das Schaftende quer zur Maserung einsäge bzw. –feile. Es ist wichtig auf die Maserung zu achten, da bei einer Selfnock mit Maserungsverlauf die Gefahr wesentlich höher ist, dass der Pfeil von hinten nach vorne aufsplittert. Um die Nock zu schützen und zu stabilisieren, führe ich die Wicklung der Federn meist noch bis zur Nock hinauf, bzw. schütze die Nock mit einer zusätzlichen Wicklung. Auch hier gibt es verschiedene Wickeltechniken und auch ich versuche zwischendurch verschiedene Varianten. Einzig die Wicklung des Garns in der Nock macht für mich wenig Sinn, da hierdurch zwar die Nock geschützt werden mag, aber dafür das Garn umso mehr in Mitleidenschaft gezogen wird – also die Wicklung massiv beschädigt wird.

Zur Befiederung verwende ich Truthahnfedern, die ich zunächst vorklebe und anschließend mit einem dünnen Garn umwickele. Dies bewirkt zum einen, dass die Federn längern und stabiler am Schaft verbleiben. Zum anderen hat es den Vorteil, dass bei Schüssen „über der Hand“ schlechter verarbeitete Federkiele nicht so schnell den Handrücken verletzten.

Hier einige Beispiel eines Pfeiles, bei dem ich Spitzen und Federn mit Birkenpech geklebt habe und die Federn mit gewachstem Hanfgarn umwickelt habe.

Neben den Gebrauchpfeilen für Strohscheiben möchte man natürlich auch Pfeile herstellen und zeigen, die den damaligen Zeiten entsprechen. Hierbei muss ich aber nochmals darauf hinweisen, dass wohl niemand einen Musterpfeil der Pfeilbauerinnung zu Hause liegen haben wird, also außer den Pfeilspitzen nur geringe gesicherte Erkenntnisse über Pfeile vorliegen. Die Funde aus der Mary Rose sind für mich nur bedingt nutzbar, da die Mary Rose erst gute 250 Jahre nach dem von uns dargestellten Zeitraum gesunken ist.


Ein historisch korrekter Pfeil könnte folgendermaßen aufgebaut sein:

Als Schäfte wurden damals verschiedene Hölzer verwendet, so auch Esche, Eiche, Pappel und wollender Schneeball. Bei der Auswahl des Schaftes kam es schon auf den Verwendungszwecks an, da ein Kriegspfeil schwerer sein musste als einfacher Jagdpfeil (Wild war halt nicht gerüstet). Es gibt aber auch Berichte aus der Belagerung der Stadt Neuss 1474/75 von Christian Wierstraet, wonach die Bevölkerung des belagerten Neuss aus Zaunlatten Pfeilschäfte fertigte.

Als Nock wurde zumeist die bereits erwähnte Selfnock verwendet. Es gibt auch Pfeilfunde in denen in die Nock Hornstücke oder Hartholz eingesetzt wurden. Dies verleiht der Nock zusätzliche Stabilität und Zierde.

Die Spitzen sind geschmiedet, entweder mit Tülle oder mit Dorn und dem Verwendungszweck angepasst (Jagd, Krieg etc.) Spitzen hat man geklebt und mit Wicklungen verstärkt.

Hier eine Auswahl verschiedener Pfeilspitzen.


Kriegspfeile hat man lediglich mit aufgesteckten Spitzen versehen, da diese den Zweck hatten im Gegner zu verbleiben. Übrigens, die Geschichte, dass man mit der so genannten Seilschneiderspitze Seile durchschießen kann, ist völlig unrealistisch. Allein schon wenn bedenkt, dass ein Pfeil während des Fluges rotiert. Wahrscheinlicher ist die Verwendung zur Jagd, wie auch schon andere Bezeichnungen wie Sehenschneider oder Darmreißer erkennen lassen.

Zur Befiederung wurden Gänsefedern oder auch Schwanenfedern genutzt. Hierbei kommt es darauf an, dass die Federn zum einen eine ausreichende Länge haben (ca. 15 cm) und zum anderen nicht zu weich sind. Zudem muss man darauf achten nur Federn des gleichen Flügels zu verwenden. Da alle Federn eine geringe Eigendrehung vorweisen, würde eine Mischung von linken und rechten Federn die Rotation des Pfeiles behindern und der Pfeil somit nicht so weit und so schnell fliegen wie ein Pfeil mit korrekter Befiederung. Hinsichtlich der Form der Befiederung gab es verschiedene Befiederungen je nach Zweck. Bei Kriegspfeilen ist wohl die Dreiecksform – heute als oft als old english shield bezeichnet – die häufigste Variante gewesen.

Die Federn wurden (so die Funde) geklebt und gewickelt. Als Klebstoff nutzte man im Frühmittelalter wohl noch Birkenpech, während nachweislich zumindest im Spätmittelalter Knochenleim verwendet wurde. Die Pfeile der Mary Rose wurden mit einer Mischung aus Knochenleim mit Kupfervitriol geklebt. Das Kupfervitriol hatte die Aufgabe Schädlinge von den Federn fern zu halten. Für die Wicklung hat man verschiedenste Garne verwendet, vom einfachen gewachsten Hanfgarn bis hin zu gewachsten Seidengarnen.

Ob Federn auch ausschließlich gewickelt wurden und gar nicht geklebt, oder umgekehrt, kann man heute nicht mehr eindeutig sagen. Nachvollziehbar erscheint für mich jedenfalls, dass in Kriegsfällen, wo in kurzer Zeit viele Pfeile benötigt wurden, entweder auf das Kleben oder das Wickeln verzichtet wurde. Hiergegen spricht allerdings eine Lagerliste aus dem Jahre 1359 wonach im Tower von London 20.000 Langbögen, 85.000 Pfeile und 50.000 Sehen eingelagert waren und somit keine kurzfristige Herstellung notwenig war.

Soviel an dieser Stelle zu der Herstellung von Pfeilen. Ein Bericht über die Herstellung von Bögen wird irgendwann (hoffentlich) auch noch folgen.

Und so könnte man mich dann auf einem Markt entdecken:




Quellen:
www.mary-rose.org
Die Geschichte der Belagerung von Neuss 1474 - 1475 nach dem Bericht des Christian Wierstraet
Toxophilus: Die Schule des Bogenschießens von Roger Asham, in der Ausgabe von Herndrik Wiethase