Die Geschichte der Stadt Neuss bis Ende des 13. Jahrhunderts

Nach wiederholten Einfällen von germanischen Stämmen in den linskrheinischen Bereich, verlegte Drusus um das 1. Jahrhundert n. Chr. die römischen Legionen direkt an den Rhein und in diesem Zusammenhang entstand in Neuss 16 v. Chr. das römische Militärlager Novaesium. Der Name jedoch, der aus einer römischen Endung mit einer im keltischen Sprachraum häufig vorkommenden Stammsilbe (wie u.a. auch Noviomagus – Nijmegen) besteht, lässt darauf schließen, dass die Gegend bereits vorher besiedelt war. In der Nähe des Militärlagers entstand eine zivile Siedlung - der Urspung der Stadt Neuss.

Die Lage direkt am Rhein mit dem sehr guten Übergang und den hier befindlichen Straßen in Richtung Ost-West und Nord-Süd (von Lüttich bis Goslar und von Groningen bis Basel) hat sowohl für den Handel als auch als strategischer Ort große Bedeutung und die Stadt in ihrer Entwicklung sehr gefördert. Bereits um 877 wird Neuss Reichszollstelle und erhält einen Salhof (Herrenhof). Nicht zuletzt durch seine günstige Lage am Rhein hatte Neuss im 9. Jahrhundert jedoch wiederholt unter den Angriffen der Normannen zu leiden, wie 863 und 881dokumentiert wurde.

Im 10. Jahrhundert begann der fließende Übergang von Neuss als Reichsbesitz in eine kurkölnische Stadt. Im 11. Jahrhundert besuchten Kaiser Heinrich II. (1023) und Heinrich IV. (1062) die Stadt. In dieser Zeit waren die Herrscher bereits zumeist Kostgänger der Bischofskirchen und Reichsklöster, die sie vorher üppig mit eigenen Mitteln ausgestattet hatten. Neben den Aufenthalten der Herrscher weilten auch die Erzbischöfe von Köln häufig in Neuss. Erzbischof Hermann II ließ 1096 sogar Kölner Juden nach Neuss führen, um sie vor gewalttätigen Kreuzfahrern zu schützen.

Die Entwicklung von Neuss zu einer wichtigen Stadt wurde von zwei Gegebenheiten begünstigt: durch seine Lage war es der ideale Fernhandelsplatz und durch die Bedeutung als kirchlicher Vorort war es politisch ein nicht zu unterschätzender Faktor. Es gab in Neuss ein Benediktinerinnenkloster, welches um 1200 zum Damenstift St. Quirin umgewandelt wurde, ein Augustinerchorherrrenstift, ab 1234 ein Minoritenkloster und ab1282 ein Klarissenkloster – und das bei einer Einwohnerzahl von ca. 3.000 Menschen!
Bereits um das Jahr 1050 wurden die Gebeine des Heiligen Quirinus von der Äbtissin Gepa (Schwester von Papst Leo IX.) nach Neuss gebracht. Im Jahr 1209 wurde der Grundstein für das Quirinusmünster gelegt, ein weithin sichtbares Zeichen des Selbstbewusstseins der Neusser Bürger und beliebte Wallfahrtsstätte.

Vom 12. Jahrhundert an befand sich Neuss im Wohlwollen des Erzbischofs und die Stadt schaffte, trotz aller politischen Wirren dieser Zeit, das Kunststück, dies auch immer wieder auf die nachfolgenden Bischöfe zu übertragen.
Das Ergebnis waren Zollfreiheit z.B. in Kaiserswerth, das Münzrecht, relativ früh eine steinerne Stadtbefestigung, Grundstücke und Marktrechte,…
Zudem war Neuss, wo das Recht der Stadt Köln galt, ein bedeutender Oberhof für die Gerichtete anderer Städte an Niederrhein. Der Oberhof setzte sich aus Neusser Schöffen und einem Kölner Schultheißen zusammen, und übten die hohe und niedere Gerichtsbarkeit und später auch die Verwaltung der Stadt aus.
Im 13. Jahrhundert waren sowohl die Kölner Erzbischöfe, als auch die Könige häufig Gäste in Neuss. 1241 soll ein Turnier bei Neuss stattgefunden haben, bei dem etwa 100 Ritter durch Kampfeseifer, Hitze und Staub zu Tode gekommen sein sollen. Andere Quelle sprechen davon, dass sich das Waffenspiel zu ernsten Auseinandersetzungen gewandelt hat.

Die Macht der Verbindung zwischen Erzbischof und Bürgern zeigt sich darin, dass Konrad von Hochstaden 1255 der Stadt Neuss gestattete, seine am Rhein erbaute Burg zu zerstören und zugleich versprach, gegen den Willen der Stadt keine andere Befestigung mehr zu errichten und sie von etwa einzurichtenden erzbischöflichen Zöllen zu befreien. Leider ist nicht genau bekannt, warum den Neussern das Niederreißen der Burg erlaubt wurde, aber wahrscheinlich sind mehrere Dinge zusammengekommen: Konrad benötigte für seine politischen Ambitionen dringend das Wohlwollen und auch das Geld der Stadt, weiterhin hat die entsprechende Urkunde das Siegel von Erzbischof und Stadt Köln – wahrscheinlich hat also die Stadt Köln der kleinen Schwester geholfen, ihre Interessen gegen den Erzbischof durchzusetzen. Köln stand, ganz im Gegensatz zu Neuss, mit den Erzbischöfen auf Kriegsfuß.

Auch die Neusser wurden immer selbstständiger, so z.B. als sie 1285 durchsetzten, dass Bürger vor kein Gericht außerhalb ihrer Stadt gefordert werden durften, außer wenn ein vernünftiger Grund vorliege und dies vom Fürsten oder Prälaten durch ordnungsgemäßes Urteil bestätigt werde. Ebenfalls 1285 weigerten sie sich, den falschen Kaiser Tile Kolup auzuliefern. Die Strafe ließ nicht lange auf sich warten: Alle Bürger, die sich geweigert hatten, Tile Kolup auszuliefern sollten die gleiche Strafe wie der falsche Kaiser erhalten. Doch nur wenige Monate nach diesem Urteil bestätig der König sämtliche Rechte und Privilegien der Stadt, wegen ihrer guten Dienste! Auch hier wird wieder die Finanzkraft der Stadt und der Rückhalt der Kölner ausschlaggebend gewesen sein. Besonders wenn man berücksichtigt, dass der Aufstand um den falschen Kaiser wahrscheinlich von den unteren Bevölkerungsschichten ausgelöst worden ist. Die Gläubiger der Erzbischöfe, zu denen zahlreicheder wohlhabenden Neusser Bürger gehörten, konnten kein Interesse an einer Schwächung seiner Position haben und der König hatte kein Interesse daran, Neuss zu schwächen, brauchte er die Stadt doch zur Verteidigung der Vorherrschaft des Erzbistums und gegen die Stadt Köln, die nach den Tod von Konrads von Hochstaden 1261 die Herrschaft des Landesherrn abgeschüttelt hatte.

Endgültig gebrochen wurde die Macht der Bischöfe in Köln durch den Angriff des Erzbischofs auf den Grafen von Berg 1288. Der Herzog von Brabant belagerte Worringen und auf der Fühlinger Heide kam es zur Schlacht. Der Brabanter wurde von den Grafen von Jülich und Berg unterstützt und selbstverständlich von der Stadt Köln. Der Erzbischof verlor die Schlacht und gelangte in Gefangenschaft. Kurkölns Macht am Niederrhein war gebrochen und der Weg der Stadt Köln zur Reichsstadt frei. Zahlreiche Zollburgen des Erzbischofs wurden zerstört und als Gegenpart wurde Düsseldorf zur Stadt erhoben um rechtsrheinisch - gegenüber des immer noch kurkölnischen Neuss - eine Grenzfestung zu erhalten.

Die Neusser blieben auch in den folgenden Jahren dem Erzbischof treu und profitierten davon, da der Erzbischof auch weiterhin in geschäftlichen Verbindungen mit den wichtigsten Familien der Stadt stand.


Quellen:
Neuss im Wandel der Zeiten – Beiträge zur Stadtgeschichte von Peter Stenmans, Joseph Lange, Nicolaus Bömmels, Karl Kreiner und Helmut Gilliam, Herausgegeben von der Stadt Neuss 1969
Neuss, der Fernhandel und die Hanse – von Jürgen Huck, Schriftenreihe des Stadtarchivs Neuss, Band 9, Teil 1


Und hier findet Ihr eine komplette Chronik der Stadt Neuss